© Anke Schulz
Lurup und Eidelstedt im zweiten Weltkrieg
Auch in Lurup und angrenzenden Stadtteilen wie 
  Stellingen, Bahrenfeld, Osdorf und Eidelstedt gellten die Sirenen und gingen 
  Bombenteppiche nieder, teilweise auf unbebautes Moorgelände, so in der 
  Umgebung Sprützmoor. Einige Luruper berichten, dass eines der schönen 
  alten Bauernhäuser in der Luruper Hauptstraße durch Luftangriffe 
  zerstört wurde. Eine alte Luruperin erinnert sich an einen von Brandbomben 
  getroffenen Viehstall: "Die Tiere schrien vor Schmerz, es war ganz furchtbar, 
  wir Kinder duckten uns in eine Kiesgrube aus Angst vor dem Flieger." Manche 
  Teiche, so der am Sumpfweg, sind sehr wahrscheinlich alte Bombenkrater. An der 
  Luruper Hauptstraße nahe Tannenberg befand sich eine Flak (Flugabwehrkanone). 
  Ein alter Luruper, der heute noch an der Luruper Hauptstraße lebt:
  "Dann sah man schon die Tannenbäume runtergehen auf Blankenese und 
  dann sah man die Flugzeuge, die beschossen wurden. Und da drüben war die 
  Flak, und eben über unseren Dächern waren die Geschosse, denn die 
  Flugzeuge flogen ja ganz niedrig. " 
  Vor allem die Gleisanlagen waren Ziel der Alliierten gewesen. So manche mühsam 
  aufgebaute Hütte fiel den Bombardements zum Opfer. Auch der Schuppen meiner 
  Großeltern Ernst und Anna Riemenschneider wurde von einer Granate getroffen 
  und musste wieder aufgebaut werden. Ab 1940 mussten per Erlass die Keller der 
  Häuser zu Luftschutzkellern umgebaut werden. Für die Siedler bedeutete 
  das eine erneute mühselige Bautätigkeit, vor allem in den Moorgebieten 
  war der Ausbau der Keller fast unmöglich. Aber es gab auch Bunker in Lurup, 
  so in der Nähe des Kleiberweges, niedrige Bunker, die nur für die 
  Bevölkerung, nicht für die ebenso gefährdeten Jüdinnen aus 
  dem unmittelbar angrenzenden KZ gedacht waren. Hedi Fried, eine der Überlebenden 
  des KZs im Friedrichshulderweg, berichtet in ihrer Biographie "Nachschlag 
  für eine Gestorbene" über Bombenalarm in Lurup, dass die Frauen 
  in dem KZ nicht in die Bunker und Luftschutzkeller fliehen durften, um sich 
  zu schützen. Das durfte nur die »arische« Bevölkerung. 
  
  Die Bombeangriffe galten vor allem dem Verschiebebahnhof, vielleicht wurden 
  auch in der Absicht, die kriegswichtigen Gleisanlagen zu schützen, die 
  Lager im Friedrichshulder Weg, vor allem das Außenlager des KZ Neuengamme, 
  weiter ausgebaut, gewissermaßen als eine Art »Schutzschild«. 
  Die Angriffe vom 27. Juli 43 hielten zunächst auf das Hamburger Umland, 
  dabei wurden wieder die Gleisanlagen bombardiert. Ein ehemaliger Anwohner der 
  Bankstraße in Eidelstedt gegenüber dem Friedrichshulder Weg erinnert 
  sich:
  "In Lurup war das erste Haus, das nach meiner Wahrnehmung 1943 bombardiert 
  wurde, ein Haus am Friedrichshulder Weg. Dieses Haus brannte, und dann flogen 
  die Flugzeuge auf dem Weg nach Hamburg über die Bankstraße, das Haus 
  meiner Eltern war das dritte Haus, das von Bomben getroffen wurde. Eine fiel 
  in der Heimstättenstraße in ein Haus, das weiter vor stand, und dann 
  kam das Haus, in dem wir wohnten. Es waren Gott sei Dank nur Brandbomben gewesen, 
  die Phosphorbomben die landeten im Garten. Meine Eltern erzählten mir später, 
  ich hätte im Luftschutzkeller am ganzen Leib gezittert.
  Wir waren dazu verpflichtet, immer die Badewanne voll laufen zu lassen, aber 
  keiner im Haus hatte das gemacht. Wir hatten am Tag zuvor wunderschönes 
  Wetter gehabt. Meine Mutter hatte mich ins Bett gebracht und ich schlief, es 
  gab diesmal keinen Voralarm, es fielen gleich die Bomben, meine Mutter packte 
  mich mit einem harten Griff und im Laufen wickelte sie mich in eine Decke ein. 
  Im Treppenhaus blitzte es, ein furchtbares Heulen war zu hören. Dann kamen 
  wir in den Luftschutzkeller, nach ner Weile war es dann still.
  Als wir wieder raus kamen aus dem Haus sahen wir das Haus brennen lichterloh. 
  Wieder mussten wir in den Luftschutzkeller, Entwarnung wurde noch nicht gegeben, 
  solche Angriffe laufen auch in Wellen, man musste immer damit rechnen, dass 
  da immer noch was nachkommt, aber wir hatten Glück, es kam nichts nach. 
  Am 2. Tag begannen dann die Löscharbeiten. Die Erwachsenen bildeten eine 
  Eimerkette, das war natürlich schwierig, weil wir alle kein Wasser hatten, 
  das Wasser musste aus den Nachbarhäusern rübergebracht werden, und 
  die Treppe zum Dachgeschoss hin war bereits verbrannt, die ganze Dachgeschosswohnung 
  war verbrannt. Die Wohnung über uns, die konnte man noch räumen, da 
  standen dann nachher die Möbel auf der Straße, und ich musste sie 
  bewachen, weil immer damit zu rechnen ist, dass sie geklaut werden, ich war 
  6 Jahre alt.
  Eine Nacht später kam denn der Freund einer Kusine von mir, der in Osdorf 
  bei der Flak tätig war, zu Besuch. Der hatte gehört, dass bei uns 
  Bomben niedergegangen waren. Der weckte uns morgens früh energisch, denn 
  unter uns brannte es plötzlich. Die hatten zwar über uns gelöscht, 
  aber die Glut war trotzdem unter dem Gelöschten noch aktiv und war unter 
  der Decke durchgebrannt, hatte unser Sofa in Brand gesteckt. Als der reinkam, 
  hat der als erstes dieses Sofa genommen und durch dieses Fensterkreuz hindurchgeschleudert, 
  da lag es dann auch mindestens 1 Jahr auf so einem Schutthaufen. Wir konnten 
  also nicht mehr in der Wohnung wohnen. Wir fanden eine Wohnung da, wo die ersten 
  Bomben ein Jahr vorher gefallen waren.
  In dieser Wohnung wohnte ein Beamter, der sich aufgrund des Angriffs nach Posen 
  hatte versetzen lassen, der rückte seine Möbel auf der einen Seite 
  des Zimmers zusammen, und auf der anderen Seite wohnten wir." 
  Krieg, das bedeutete für die Männer, ihre Siedlungen und Gärten 
  nicht weiterbauen zu können und an die Front gehen zu müssen. Für 
  diejenigen, die sich mit dem Regime nicht identifizierten, ein schwerer Schlag. 
  Bevorzugt wurden Menschen, die dem Regime verdächtigt waren, an die vorderste 
  Front geschickt. Jugendliche, die der Swing-Jugend angehörten wie der 15jährige 
  Gerd aus der Nachbarschaft Ursel Riemenschneiders, fielen auffällig schnell 
  nach ihrer Einberufung. Viele wurden von Gefangenschaft und traumatischen Erlebnissen 
  gezeichnet, mussten das Wissen um die grausame Ermordung der Zivilbevölkerung 
  an der Front verkraften, eigene Kriegsgefangenschaft überstehen und kamen 
  krank und zerschlagen aus dem Krieg zurück. Einige wenige Männer, 
  wie Ernst Riemenschneider, der aufgrund eines schweren Augenleidens als nicht 
  kriegstauglich eingestuft worden war, konnten dem Kriegsdienst entgehen. Aber 
  auch sie mussten sich in kriegsrelevanten Unternehmen wie der Schmirgel verdingen. 
  Die Mitarbeiter dieser Unternehmen, Männer wie Frauen, mussten bei Luftangriffen 
  das Unternehmen schützen und ihre Familien und Kinder alleine lassen. Eine 
  alte Mitarbeiterin der Schmirgel:
  "Und wir haben ja auch die Kriegszeit da hatten wir ja hier Luftschutzdienst 
  abends und nachts auch als Frau." 
  Die Frauen, deren Männer im Krieg waren, die meisten Frauen also, mussten 
  die Familien alleine durchbringen, für viele bedeutete das, aus den traditionellen 
  Geschlechterrollen ausbrechen und Männerarbeit verrichten zu müssen. 
  
  "Nach 1940 blieb uns der Garten nur noch als Kleingarten, wir wohnten dann 
  in Winterhude, aber als die Luftangriffe sich häuften, zogen wir zeitweilig 
  dahin. Wenn dann Alarm kam war ich es, die sich als erste traute, rauszugehen, 
  guckte, ob alles in Ordnung war, und die Mannsleute weckte. Mein Mann hatte 
  so ein kleines Erdloch als Keller gemacht, innen mit Borten und einer kleinen 
  Leiter runter, auch kleine Fenster drin, da haben wir dann gesessen, und wenn 
  der Angriff vorbei war, das war ja oft an den Bahngleisen von Langenfelde hin, 
  die haben sie ja oft bombardiert, dann hieß es Splitter suchen vom Dach, 
  damit es bei Regen nicht durchleckte, das haben wir oft tun müssen, mein 
  Mann war später Soldat, da war ich mit den Kindern dann allein." 
  Wenn ich mit meiner alten Mutter Ursel Riemenschneider mit dem Bus in Richtung 
  Bahrenfeld fahre, weist sie mich jedes Mal darauf hin, dass ihrer Wahrnehmung 
  nach hier, in der Nähe zur Trabrennbahn, die ersten Bomben fielen. Lurup 
  war vor allem Zufluchtsort für die ausgebombten Innenstädter, aber 
  sicher vor dem Krieg war auch hier niemand gewesen. 
  
 
  
  
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